Bilder, unterschiedliche visuelle Sprachen und bildliche Inhalte sind fester Bestandteil unserer Welt. Bilder transportieren Gefühle, erschaffen Stimmungen, erzählen Geschichten. Nachdem man einen Film gesehen hat, sind es meist die Bilder, die einem im Gedächtnis bleiben. Hiermit wollen wir Werkzeuge an die Hand geben, mit denen man Bilder spielerisch erzeugen und gestalten kann. Je besser man die Grundlagen beherrscht, desto freier ist man in der Gestaltung seiner eigenen Fotos und Bewegtbilder. Die wichtigsten Bildgestaltungswerkzeuge werden in diesem und den drei folgenden Beiträgen vorgestellt: Brennweite, Blende, Belichtungszeit, Perspektive, Einstellungsgrößen, bewegte Kamera, Bildausschnitt (Kadrage), Lichtgestaltung, Farbdramaturgie und letztlich Bildkomposition. Die filmischen Gestaltungsmittel werden in der Praxis meist parallel benutzt, sodass es mitunter eine Herausforderung ist, diese voneinander zu isolieren. Das wichtigste Instrument der Bildgestaltung ist das Auge selbst. Es lohnt sich, einen Blick auf die alten Meister zu werfen und sich die Gemälde anzuschauen und zu analysieren. Je mehr Gemälde, Fotografien oder Bilder man bewusst betrachtet, desto mehr werden eigener Blick und Wahrnehmung geschärft.
Belichtung
Um richtig belichten zu können, sind grundsätzlich fünf Werte zu berücksichtigen:
- Blende/Lichtwert, ist sowohl für den Foto- als auch den Videobereich essenziell
- Belichtungszeit/Verschlusszeit, im Fotobereich hat man hier mehr Spielraum und Gestaltungsmöglichkeiten
- ISO/ASA-Wert, in der Fotografie wichtig, im Videobereich nur in speziellen Fällen
- Filter, interessant im Videobereich
- Gain/Verstärkung, wichtig im Videobereich
Wann ist ein Foto richtig belichtet?
Dies ist der Fall, wenn das abzubildende Motiv (Person, Objekt) so aussieht wie gewünscht. Außerdem sollten in den dunklen sowie hellen Bildbereichen „Zeichnung“ vorhanden sein, d. h. es sollte keine schwarzen (Unterbelichtung) oder weißen Flächen (Überbelichtung) geben.
Blende/Lichtwert
ist die Größe der Öffnung im Objektiv, durch die Licht eindringen kann. Diesen Wert bekommt man meistens von der Kamera direkt. Eine andere Möglichkeit ist, diesen Wert von einem Belichtungsmesser abzulesen und ihn manuell an der Kamera einzustellen. Im Objektiv befinden sind kleine Lamellen, die den Innendurchmesser des Objektives verändern können, die sogenannte Iris-Blende.
Die Blende wird in „f“ (engl. Fraction, dt. der Bruchteil) angegeben. Die Blendenzahl kommt vom „Bruchrechnen“. Blende 4 steht für 1/4 einer komplett offenen Blende. Hier die „Internationale Standard Blendenreihe“:
1– 1,4 – 2 – 2,8 – 4 – 5,6 – 8 – 11 – 16 – 22 – 32 – 45 – 64 – 90
Die schwarz markierten Werte sind die gängigsten. Zwischen diesen Werten gibt es noch weitere Abstufungen. Objektive mit Blende f=1 bis f=4 bezeichnet man als lichtstark. Ihr innerer Aufbau leitet besonders viel Licht auf den Sensor, was schnelles Scharfstellen und sehr kurze Verschlusszeiten erlaubt. Günstigere Standardobjektive bieten als kleinste Blendenzahl meist Werte um f=5,6. Somit muss es vier Mal so hell sein, um die gleiche Belichtung wie bei f=2,8 zu erhalten.
Faustregel: eine niedrige Blendenzahl lässt viel, eine hohe Blendenzahl wenig Licht auf den lichtempfindlichen Sensor. |
Belichtungszeit/Verschlusszeit
ist die Zeitspanne, in dem ein lichtsensibles Medium (Filmmaterial oder CMOS- bzw. CCD-Sensor) zur Aufzeichnung eines Bildes dem Licht ausgesetzt ist. Direkt vor dem Kamerasensor befindet sich der Verschluss. Dieser wird im Moment des Auslösens für die eingestellte Zeit geöffnet. Verschlusszeit wird in t (eng. time, dt. die Zeit) angegeben. Die Verschlusszeit gibt vor, wie lange Licht auf den Sensor fallen soll. Einstellbare Werte sind (gesprochen jeweils 1/x, wobei x die folgende Zahl ist):
1–2– 4–8–15–30 – 60 –125 – 250 – 500 – 1000
1 bedeutet, der Verschluss ist 1/1 Sekunden, sprich eine Sekunde lang offen. Bei 1/2 ist es dann eine halbe Sekunde. Zwischen diesen Werten gibt es weitere Abstufungen. Zusätzlich verfügen viele Fotokameras über die Einstellung „Bulb“ – der Verschluss bleibt so lange offen, wie der Auslöser gedrückt wird. Dies kommt insbesondere bei Nacht- oder Langzeitbelichtungen zur Anwendung.
Bildrate/Framerate
In der Film- und Videotechnik ist die Bildrate (BpS = Bilder pro Sekunde bzw. fps = frames per second) ein weiterer Einflussfaktor. Sie bezeichnet die Anzahl der Einzelbilder pro Sekunde. Im Kino-Bereich sind 24 fps üblich. Im Fernsehbereich arbeitet man in Europa (PAL/SECAM) mit 25 fps, in den Vereinigten Staaten (NTSC) mit 29,97 fps. Die Unterschiede gehen zurück auf die unterschiedlichen Hertzfrequenzen des Stroms in Europa und in den Vereinigten Staaten. Eine Sequenz, die mit niedriger Bildfrequenz aufgenommen wird, sprich, wenn man mit weniger Bilder pro Sekunde arbeitet, nennt man Zeitraffer. Bei einer hohen Frequenz, also bei mehr Bilder pro Sekunde, spricht man von Zeitlupe. Je nach Bildrate verändert sich die Belichtungszeit. Die Belichtungszeit im Videobereich beträgt immer das Doppelte der Bildrate. Bei einer Bildrate von 24 fps ist die Belichtungszeit 48 die Höchste. Bei einer Bildrate von 25 fps, beträgt die höchste Belichtungszeit 50. Kürzere Belichtungszeiten sind möglich, längere hingegen schwierig.
Faustregel: Im Videobereich beträgt die Belichtungszeit das Doppelte der Bildrate. |
Zusammenspiel Blende, Verschlusszeit, Lichtbedarf und Schärfe
- Blende f=2 – kleiner Bereich scharf – wenig Licht notwendig – kurze Verschlusszeit möglich
- Blende f=16 – großer Bereich scharf – viel Licht notwendig – lange Verschlusszeit notwendig
Je mehr Fläche man auf dem Bild scharf abgebildet haben will, umso mehr Licht muss vorhanden sein oder umso länger muss die Verschlusszeit sein. Je dunkler es ist, umso länger muss die Verschlusszeit sein oder umso größer die Blendenöffnung. Damit verringert sich jedoch der Bereich der Schärfe. Bei langer Belichtungszeit stellt sich rasch eine Bewegungsunschärfe ein. Falls gewünscht, kann man diesen Umstand bewusst als Gestaltungsmittel einsetzen.
ISO / ASA
bezeichnet die Lichtempfindlichkeit des Films oder des Sensors (des Kamera-Chips). Bei analogen Filmen richtete sich die Lichtempfindlichkeit nach dem Material. Das Korn des Negativfilms nahm die Lichtinformation auf. Je nach Korngröße war das Material unterschiedlich lichtempfindlich. Der Nachteil war, dass die Filmkörnung als Rauschen sichtbar werden konnte. Auch musste man, um einen anderen ISO Wert zu verwenden, die Filmrolle tauschen. Digitale Kameras simulieren diese Funktion durch veränderbar angelegte Spannung an den Sensor. Je höher diese Spannung, umso lichtempfindlicher ist der Sensor. Die Videokameras sind „geratet“, sprich, auf einen bestimmten ISO-Bereich abgestimmt. Dieser wird Sweet Spot genannt und fällt, je nach Kameramodell unterschiedlich aus. Die meisten Amateurvideokameras haben diesen Bereich automatisch eingestellt. Für alle anderen gilt: dieser Bereich ist in den Handbüchern meist nicht zu finden. Man kann ihn allerdings in einschlägigen Internet-Foren finden, oder aber man testet seine Kamera selbst. Es lohnt, den Sweet Spot herauszufinden und einzustellen, da man dadurch den größten Blendenumfang erzielt. Wenn man sich außerhalb dieses Bereiches bewegt, kann es zu Bildverlusten in den Tiefen und Lichten bzw. in den Schwarz- und Weißanteilen, kommen. Man kann durch das Erhöhen der ISO Werte die Verschlusszeit verkürzen. Je höher die ISO-Zahl, umso größer ist das Bildrauschen und somit auch der Qualitätsverlust. Es hängt von der Beschaffenheit der einzelnen Kamera ab wann das Bildrauschen einsetzt.
Einstellbare Werte sind:
100 – 400 – 800 – 1000 – 3200 …
Moderne Kameras bieten ISO Werte von über 100.000 an. Somit kann man auch in Situation mit wenig Restlicht (Konzerte, Veranstaltungen, Klubs, Hallen, usw.) noch Aufnahmen erstellen.
Faustregel: Je höher die ISO-Zahl über dem Idealwert des Sensors liegt, umso größer ist das Bildrauschen und somit auch der Qualitätsverlust. |
Zusammenspiel Blende, Belichtungszeit und ISO
Die Abstände von einem Wert zum Nächsten sind bei Blendenzahl, Verschlusszeit und ISO gleich groß. Ausgehend davon, dass sich die richtige Belichtung nicht ändert, kann man jeden beliebigen Wert ändern – wenn man den verbundenen Wert um die gleiche Stufenzahl in die andere Richtung korrigiert. Änderungen sind meist in ganzen, halben oder Drittelstufen möglich:
- Blendenzahl plus eine Stufe erfordert Verschlusszeit minus eine Stufe
- oder Verschlusszeit plus eine Stufe erfordert ISO Wert minus eine Stufe
- oder ISO Wert plus eine Stufe ermöglicht Blendenzahl plus eine Stufe
oder in Zahlen (alle Wertepaare ergeben die gleiche Belichtung):
- Blende f=4 | t=1/200s | ISO=200 (Vorgabe)
- Blende f=4 | t=1/400s | ISO=400 (kürzere Verschlusszeit)
- Blende f=8 | t=1/200s | ISO=400 (größerer Schärfebereich)
- Blende f=4 | t=1/100s | iso=100 (geringeres Bildrauschen)
Wofür ist die Blende gut?
Die Blende regelt die Helligkeit und wirkt sich indirekt auf die Schärfentiefe aus. Ich habe die Möglichkeit, bestimmte Bereiche im Foto scharf darzustellen und den Rest unscharf zu lassen. Damit werden bestimmte Teile im Bild besonders hervorgehoben, wie etwa:
- möchte ich nur eine Bildebene, wie zum Beispiel die Bildebene der Augen einer Person, scharf abbilden: kleiner Bereich = kleine Blendenzahl – bis Blende 4
- möchte ich ein Gruppenfoto machen, bei dem Menschen in mehreren Reihen stehen: mittlerer Bereich = mittlere Blendenzahl – Blende 8 – 11
- soll in einem Landschaftsbild das gesamte Foto möglichst scharf abgebildet werden:
großer Bereich = große Blendenzahl – ab Blende 16
Und natürlich gibt es Tabellen mit ablesbaren Schärfentiefenwerten. Die sind jedoch nur dann hilfreich, wenn man einen Film dreht.
Filter
Mit Kamerafiltern können Helligkeit, Sättigung, Kontrast oder UV-Licht verändert werden. Die meisten Filter reflektieren einen Teil des einfallenden Lichtes, sodass weniger Licht das Objektiv erreicht. Diese Belichtungsreduktion wird durch den Filterfaktor angegeben. Dieser ist meist an der Fassung des Filters angegeben und bei der Belichtung zu beachten. Die wichtigsten technischen Filter sind: Polarisationsfilter (oder Polfilter) und ND-Filter (Neutraldichte- oder Graufilter genannt). Die anzuwenden ist hilfreich, da ihre jeweiligen Auswirkungen im Nachhinein nur sehr aufwendig hergestellt werden können. In der Digitalfotografie werden Effekt-, Farb- sowie Grafikfilter meist im Zuge der Bildbearbeitung angewendet. Diese Filter haben keine Auswirkungen auf die Helligkeit. Weiterhin haben Digitalkameras einen integrierten ND-Filter, den man, je nach Bedarf, einfach ein- oder ausschwenken kann. Der Vollständigkeit halber sei hier noch der UV-Filter erwähnt, der allerdings keine Auswirkung auf die Helligkeit hat.
Gain/Verstärkung
Der Gain steht bei Videokameras für die Verstärkung der Lichtempfindlichkeit und wird in Dezibel (dB) angegeben. 0 dB bedeutet keine Verstärkung, 6 dB doppelte Verstärkung (eine Blendenstufe ), 9 dB dreifache Verstärkung (1 ½ Blendenstufen), 12 dB vierfache Verstärkung (2 Blendenstufen), 18 dB achtfache Verstärkung (3 Blendenstufen) und 24 dB sechzehnfache Verstärkung (4 Blendenstufen). Dabei wird das Bildrauschen mit verstärkt. Zwar sind Aufnahmen mit einem hohen Gain bei fast völliger Dunkelheit möglich, jedoch ist das Bild dann mit starken Rauschen belegt. Daher werden solch hohe Verstärkungsfaktoren nur in Ausnahmefällen verwendet.
Faustregel: Je höher der Gain-Wert, desto höher sind Lichtempfindlichkeit und Bildrauschen. |
Brennweite
Unter Brennweite versteht man die Entfernung zwischen Linse eines Objektivs und ihrem Fokus (Brennpunkt). Der Brennpunkt ist der Ort, an dem parallele Lichtstrahlen von der Linse in einem Fleck fokussiert werden. Je größer die Brennweite eines Objektivs ist, desto weiter entfernt kann man vom Motiv sein, um es formatfüllend auf den Sensor zu bannen. Je kleiner die Brennweite ist, desto näher können Sie an ein Objektiv herangehen. Somit legt die Brennweite fest, wie groß der Bildausschnitt bzw. Blickwinkel ist, der auf dem Kamerasensor abgebildet und gefilmt werden soll. Die Brennweite wird in Millimeter (mm) angegeben und steht meist auf dem Objektiv. Die Wahl der Brennweite ist für die Bildwirkung entscheidend. Insbesondere drei Faktoren sind dabei zu beachten:
- Die Schärfentiefe
- Die Verdichtung oder Dehnung des Raumes und der Eindruck von Plastizität
- Der Bildausschnitt
Im Folgenden stellen wir die unterschiedlichen Brennweiten vor. Die Einteilung der Objektive in Weitwinkel, Normal- und Telebrennweitenbereiche beruht auf der Sensorgröße der Kamera und kann, je nach Kameramodell, stark variieren. Bei Kleinbildformat gelten Brennweiten zwischen 18 und 35 mm als Weitwinkel. Objektive im Bereich 40 bis 50 mm sind der Normalbereich. Objektive ab 50 mm markieren den Tele-Bereich.
Weitwinkel
Meist haben diese Objektive eine großflächige Frontlinse. Hier wird das Bild zerstreut und im hinteren Bereich des Objektivs gesammelt. Ein Weitwinkel-Objektiv verändern die Dinge, die wir damit aufnehmen, gegenüber unserer normalen Wahrnehmung mit dem Auge recht deutlich: es wird mehr Raum erfasst und die Abstände zwischen den Objekten vergrößern sich. Je nach Grad des Weitwinkels kann es zu gewissen Verzerrungen kommen. Man kann diese Wirkung bewusst einsetzen, um eine Szenerie zu dramatisieren. Denn die Schärfentiefe ist, selbst bei offener Blende, beim Weitwinkel sehr groß. Meist ist vom Vordergrund bis zum Hintergrund alles scharf. Als Extrembeispiel sei hier das sogenannte Fischauge-Objektiv angeführt, dass extreme Verzerrung von Raum und Objekt erzeugt.
Normal- oder Standardbrennweite
Diese Art des Objektivs entspricht ziemlich genau dem Bildwinkel, mit dem unser Auge die Welt wahrnimmt. Die aufgenommenen Gegenstände werden weder verkleinert noch vergrößert, die Abbildung weder verkürzt noch vergrößert. Entsprechend beliebt ist es und wird häufig verwendet. Der Tiefenschärfe-Bereich ist relativ groß, jedoch kleiner als bei einem Weitwinkel-Objektiv. Der Einsatzbereich ist universell und die Abbildungsqualität hoch. Diese Brennweite ist die bevorzugte Wahl bei Porträtaufnahmen. Dieses Objektiv zeigt ein pures Bild, ohne Überhöhung oder technische Effekte. Für manche Kameraleute die hohe Kunst, für andere ein unerträglicher Zustand.
Teleobjektiv
Mit Teleobjektiven wird der Ausschnitt, den man aufnimmt, enger. Größere Entfernungen werden verkürzt. Die Teleobjektive modellieren das Objekt, welches man aufnimmt, aus dem Hintergrund heraus. Ihre Schärfentiefe ist nicht groß, der Bildhintergrund wird rasch unscharf. So wird der bildwichtige Teil verschönert dargestellt. Das Gesicht oder das Objekt im Vordergrund wirkt präsenter und gleichzeitig flacher. Das Gesamtbild fällt oftmals vielfältiger, reicher und interessanter aus.
Schärfentiefe
Unser Auge will geführt werden. Wir wollen auf die wichtigen Elemente hingewiesen werden, zu viele Details überfordern sehr. Somit ist die Schärfe, nebst Bildkomposition, Bildausschnitt, Lichtgestaltung und Farbgebung ein mächtiges und präzises bildgestaltendes Mittel. Ein Objekt oder ein Mensch, der sich vor einem unscharfen Hintergrund befindet, gewinnt an Bedeutung, da er nicht mit einem detailreichen, gestochen scharfen Bildhintergrund konkurrieren muss. Als Faustregel gilt: Je größer die Schärfentiefe, desto größer der Bereich, in dem alles scharf abgebildet wird, je kleiner, desto geringer ist dieser Bereich, desto eher verlieren sich Konturen in der Unschärfe.
Faustregel: Kleine Blendenzahl = kleiner Bereich wird scharf abgebildet / Große Blendenzahl = großer Bereich wird scharf abgebildet |
Perspektive
Der Begriff bezeichnet das räumliche Verhältnis von Objekten im Raum. Die Kamera führt den Blick des Betrachters. Die Perspektive nimmt den Blick des Betrachters vorweg. Solange sich die Kameraposition nicht verändert, bleibt das Verhältnis zwischen Vorder- und Hintergrund und somit der Perspektive, gleich. Dann ist es nämlich egal, ob man ein Weitwinkel oder ein Teleobjektiv verwendet. Auch wenn man statt Wechselobjektiven ein Zoomobjektiv benutzt, ändert sich die Perspektive beim Verstellen der Brennweite nicht. Bildausschnitt, Blickwinkel und somit der Raum und das abgebildete Motiv wirken zwar anders. Doch um die Perspektive zu verändern, lohnt es sich, sich im Raum zu bewegen und die entsprechende Kameraposition zu suchen. Entscheidend ist hier der Aufnahmestandpunkt.
Aufnahmestandpunkt
Er bestimmt die perspektivische Darstellung. Diese bleibt auch bei unterschiedlichen Brennweiten (Objektive) und verändernden Abbildungsmaßstäben stets gleich. Wenn man die Perspektive verändern möchten, muss man den Kamerastandpunkt verändern. Erst bei einer Kamerafahrt (Dolly, Steadycam, Kran, Drohne, usw.), verändert sich die Perspektive. Wenn die Abstände zwischen den dargestellten Personen und/oder Gegenständen gleich geblieben sind, ist der Kamerastandpunkt und damit auch die Perspektive gleich geblieben. Dies ist der wesentlichste Unterschied zwischen einer Zoomfahrt (kontinuierliches Verändern der Brennweite an einem Zoomobjektiv, auch „Gummilinse“ genannt) und einer echten Kamerafahrt. Nur eine echte Kamerafahrt erlaubt veränderte Perspektiven und kommt damit der natürlichen Bewegung eines Menschen in einen Raum hinein recht nah.
Bezogen auf die Veränderung der Größe eines Objektes oder einer Person kann man eine vergleichbare Wirkung sowohl durch Änderung der Brennweite (bei festem Kamerastandpunkt) als auch durch Veränderung der Kameraposition bei gleichbleibender Brennweite erzielen. Wenn zwei unterschiedlichen Arten von Fahrt gegenläufig miteinander kombiniert werden – eine Schienenfahrt auf eine Person zu und optisch mit dem Zoomobjektiv in gleichem Maße weg von der Person – so verändert sich die Größe der Person trotz Fahrt nicht, spricht man vom „Vertigo-Effekt“. Diese Technik wurde meisterhaft in Hitchcocks gleichnamigem Film eingesetzt.
In dem Verhältnis Motiv zur Höhe der Kamera wird zwischen Frosch-, Normal- und Vogelperspektive unterschieden:
Die Froschperspektive
dramatisiert die Bildwirkung, indem sie den Betrachter klein und das Motiv groß, mächtig, überlegen und bedrohlich wirken lässt. Besonders gerne wird diese Perspektive im Horror-, Mystery- und Science-Fiction-Genre verwendet. In der Fotografie findet dieser Blickwinkel seine Anwendung in der Mode- und Hochzeitsfotografie.
Die Vogelperspektive
dramatisiert ebenfalls die Bildwirkung, indem sie Distanz zum Motiv schafft. Der Betrachter wird über das Motiv erhoben. Die abzubildende Person oder das Objekt wirken ungefährlich, schwach und ohnmächtig. Diese Perspektive erzeugt den Eindruck der Geringschätzigkeit. In Italo-Western wurde diese Perspektive oft und gerne gewählt, um Gauner abzubilden. Es lohnt, darauf zu achten, dass man Kinder von deren Augenhöhe aus fotografiert, und nicht die Perspektive des Erwachsenen einnimmt, da sonst eine abschätzige Wirkung entsteht.
Die Normalperspektive
befindet sich auf Augenhöhe oder der Herzenshöhe des Betrachters und somit auf einem neutralen Standort. Diese ist eine Perspektive ohne Wertung. Das Motiv ist mit der Kamera auf derselben Ebene. Diese Perspektive verändert die Bildwirkung nicht und stellt somit, ästhetisch gesehen, zugleich auch die größte Herausforderung dar. Beim Film gerne im Arthouse-Segment, wird sie in der Fotografie insbesondere bei Porträts und Landschaftsaufnahmen angewendet.
Inspirations-Training
Übung:
Betrachte Dein Lieblingsgemälde oder Deine Lieblingsfotografie mal anders und finde heraus:
- Welches Objekt ist der bildwichtigste Teil?
- Wie ist die Betrachtungsperspektive (Frosch, Normal, Vogel)?
- Wie groß ist der Anteil heller, bzw. dunkler Flächen? Wie grenzen sie aneinander (fließend, hart)? Welcher Anteil dominiert?
- Wo liegen die Schärfen, wo die Unschärfen?
- Im Fall einer Fotografie: wurde ein Tele- oder ein Weitwinkel eingesetzt?
- Wo war der Kamerastandpunkt?
Übung:
Fotografiere einen Menschen, ein Tier, eine Pflanze oder einen Gegenstand die Du magst, aus den drei verschiedenen Perspektiven (Frosch, Normal, Vogel). Was verändert sich dadurch?
Übung:
Mit welchen Brennweitenbereich (Weitwinkel, Normal, Tele) wurde dieses Motiv jeweils aufgenommen?
In unserem nächsten Blogeintrag widmen wir uns den unterschiedlichen Einstellungsgrößen, der bewegten Kamera und dem Bildausschnitt. Viel Spaß beim Ausprobieren!
Weiterführende Literatur:
Katz, Steven D.: “Die richtige Einstellung: zur Bildsprache des Films”, Verlag ZWEITAUSENDEINS, 2010
Herausg. Manthey, Dirk: “Making Of – Band 1“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1998